Wir waren nun drei Tage lang im Krankenhaus.
Am Montag war ich ja beim Kinderarzt mit dem Kleinen. Oberer Atemwegsinfekt, gar nicht so schlimm, da hätten wir gar nicht kommen brauchen. Am Mittwoch wars noch nicht besser. Wieder angerufen. Heute gehts nicht, wenn er nicht mehr fiebert sollen wir erst am Donnerstag kommen, der Terminkalender ist voll von dringenden Notfällen. Geärgert, aber halbwegs beruhigt. Dem Kleinen gings besser, der Husten war weniger und die Nächte wieder ruhiger.
Donnerstag endlich wieder beim Kinderarzt. Diagnose: ab ins Krankenhaus! Doch kein Atemwegsinfekt, sondern Bronchitis. Er muss inhalieren, eventuell braucht er Sauerstoff. Ich soll sofort hin.
Ich bin wie betäubt. Stammle, wie es denn jetzt auf einmal so schlimm geworden sein kann. Sie räumt eine Fehldiagnose ein, entschuldigt sich.
Das hilft mir nicht.
Verwirrt fahre ich nach Hause, packe ein paar Sachen. Wohin mit dem Großen? Ich kann ihn nicht beim Papa lassen. Denn der ist selber krank und kann kaum aufstehen. Die Verwandtschaft arbeitet Vollzeit. Es hilft nichts: der Große muss mit.
Ich rase zum Kindergarten und hole ihn ab. Gebe der Erzieherin schnell Bescheid. Schnellschnell, wir müssen uns beeilen.
Unser kleines Auto fliegt die dreißig Kilometer bis zum nächsten Krankenhaus. Wir finden keinen Parkplatz, erst ganz hinten. Durch den strömenden Regen schleppe ich den Kleinen und unsere Tasche zum Haupteingang, den Großen an der anderen Hand. Wir müssen lange warten, die Kinder quengeln. Endlich können wir auf die Station.
Dort ein Hoffnungsschimmer: es ist alles gar nicht so schlimm. Die Werte sind gut. Sie wollen uns trotzdem dort behalten, eine Nacht zur Beobachtung. Wir bekommen ein Zimmer für uns drei alleine.
Der Kleine schreit, er ist fertig mit der Welt. Er hasst das Inhalieren und sobald er jemanden mit weißer Kleidung sieht, ist er nicht mehr zu halten. In seiner kleinen, niedlichen Hand befindet sich eine Nadel - ein Zugang ist ihm gelegt worden. Mit seinen großen Augen sieht er mich fragend an, die Tränen kullern über seine Wangen.
Mein Herz bricht. Ich möchte ihm alles Leid dieser Welt ersparen und habe rigoros versagt.
Aus einer Nacht werden zwei. Wir lernen andere Kinder kennen, mit denen die Jungs spielen. Hören uns deren Schicksale an. Uns Müttern tut es gut, dass wir uns austauschen können. Abends, wenn die Kinder schlafen, treffen wir uns in der Teeküche. Erzählen uns unsere Geschichten, lachen dabei. Man muss lachen, denn was wäre die Alternative?
Da sitzt sie nun, eure Lipstickmum. Trinkt einen stark gesüßten Waldbeertee. Die Haare wirr, das Make Up zu Hause, denn für mich selbst habe ich am wenigsten eingepackt. Appetit habe ich keinen, mein Essen hebe ich für die Kinder auf. Doch ich bedauere mich nicht, denn das würde nichts ändern. Wie ein Mantra sage ich mir immer wieder: irgendwann muss es wieder vorbei sein. Irgendwann geht es dem Kleinen wieder gut und die Kinder haben vergessen, dass wir hier waren. Ich werde es nie vergessen, aber ich komme damit klar. Die Hauptsache ist, dass ich ihnen immer wieder dein Eindruck vermittle, dass alles in Ordnung ist oder zumindest bald wieder in Ordnung kommen wird.
Samstag Mittag endlich dürfen wir nach Hause. Die Stunden haben sich in die Länge gezogen, es kommt mir so vor, als wären wir seit Wochen dort gewesen. Ausgestattet sind wir mit einem Inhalator und vielen Erfahrungen, die wir nie machen wollten.
Nun müssen wir daheim noch ein bisschen inhalieren und morgen wieder zum Kinderarzt. Die Folgemedikation besprechen.
Und dann einen neuen Arzt suchen.